Das Braugewerbe in Elsterwerda

Ein Hauptnahrungszweig im Mittelalter war das Braugewerbe. Bezüglich des Braurechts sind im Stadtarchiv Aufzeichnungen vorhanden, wo jedoch Datum und Namen der Schreiber nicht bekannt sind.

1448:
In diesem Jahr wird eine "Tranksteuer", genannt Ungeld, für Bier und Wein eingeführt. Einige Jahre zuvor war auch Akzise (Verbrauchssteuer, Zoll) aufgekommen, der so genannte "Bierzehnt". Damals galt das Fass Bier 46 bis 50 Gallonen. Vom Fass Bier wurden 5 Gallonen bewilligt.

1469:
Von jedem Fass Bier sind sechs Groschen auf sechs Jahre der Landesherrschaft von dem zu Leipzig abgehaltenen Landtage bewilligt worden, um die Schulden abzubezahlen (Chladeninus Albinius, Meißen Landchronik 333 - 433). Woher kamen die Mengen Bier, die nötig waren? Den Pfarrern stand zur Reformationszeit gewöhnlich das Recht zu, ein oder zwei Biere selbst zu brauen. Die Braupfanne war oft Eigentum der Kirche. So besaß die Kirche in Elsterwerda zwei kupferne Braupfannen, die sie in der Zeit von 1790 bis 1804 anschaffte und gegen Entgelt an die brauberechtigten Bürger verlieh.

1858:
Gegen Ende des Jahres wurde die in der Domänen-Brauerei stehende kupferne Braupfanne, die der Kirche gehörte, für 340 Taler verkauft. Eine ganze Reihe von Ortschaften waren aufgrund abgeschlossener Rezesse verpflichtet, ihr sämtliches Bier von Elsterwerda zu holen. Die Stadt übte das Verbietungsrecht gegen die Einfuhr fremder Biere aus. Viele Städter hatten sich die Brauberechtigung erworben und hatten damit auch das Schankrecht. Die so bevorzugten Bürger nannte man amtlich Brauerben, denn das Privileg war erblich.

So hieß es in alten Aufzeichnungen: "Bier wurde in der Stadt verzapft; wer braute, durfte auch schänken. In den Dörfern gab es keinen Krug. Nur zu Hochzeiten und hohen Festen wurde ein "Gemeinbier" aufgelegt, welches versteuert werden musste. Der Richter oder die gesamte Gemeinde trat als Käufer auf. Wer seinen Durst stillen wollte, musste in eines der vielen Bierhäuser der Stadt kommen. Dass dies oft geschah und dass man dort ordentlich zechte, d. h. bis zur geschlagenen Glocke, was im Sommer um neun geschah, das erzählen manche Gerichtsakten. Raufereien, Händel, Braun- und Blauschlangen kamen am Biertisch oft vor. Entweder muss das Bier hübsch stark gewesen sein oder man hat sehr viel getrunken. Eine Stadtverfügung sagt: "Die Biergäste sollen sich in den Bierhäusern des unziemlichen Geschreies enthalten. Die Wirte mögen sie vor Tumult und Schlägerei fleißig verwarnen".

Das Brauwesen hat einen Teil der Bürgerschaft lohnenden Erwerb gegeben, denn Elsterwerda besaß um 1700 825 Einwohner in 120 Häusern, wovon 67 brauberechtigt waren.

Das eigene Bierbrauen in Elsterwerda endete etwa Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem Beginn der Bierproduktion in den neu entstandenen zwei Bierbrauereien. Erstmals erscheinen die Namen Kahnsdorf und Wallasch. Karl August Kahnsdorf wird 1839 als Schlossbraumeister genannt und es ist anzunehmen, dass dieser in der Domänenbrauerei in Krauschütz tätig war, bis er selbst Brauereibesitzer wurde.

Im "Liebenwerdaer Kreisblatt" vom 5.2.1868 ist wörtlich zu lesen: "Veränderungshalber bin ich besonnen, meine am Markte gelesene Wirtschaft Nr. 96 mit oder ohne Feld zu verkaufen oder zu verpachten. Die darin befindlichen Brau-Geräthschaften, bestehend in neuem Kühlschiff. Bottigen, Kessel ectr. will ich ebenfalls einzeln verkaufen. Der Brauereibesitzer Wallasch".

Daraus ist zu schließen, dass der Brauereibesitzer Adolf Wallasch bis Februar 1868 auf dem Markt 96 eine Brauerei besaß. Auf dem Grundstück Lange Straße 38 war eine neue Brauerei entstanden, wo die Bierproduktion fortgesetzt wurde. Der neu erbauten Brauerei war jedoch kein langer Erfolg beschieden. So ist im "Liebenwerdaer Kreisblatt" vom 17.4.1875 wörtlich zu lesen:

"Am 10. April 1875 früh gegen 4 Uhr ertönten die Sturmglocken vom Thurme herab und die Lärmtrommeln wirbelten durch die Straßen. Alles stürzte erschrocken an die Fenster, eilte auf die Straße. Die Bierbrauerei von Wallasch stand in Flammen. Sehr bald kamen die Spritzen herangerasselt und der schnell herbeigeeilten Hülfe, sowie der völligen Windstille war es wohl zu verdanken, dass dem Feuer Einhalt gethan wurde, ehe es die umherliegenden Holzvorräte, Fässer usw. ergriff. So wurde nur das Giebelende der Brauerei und ein Theil eines anstoßenden Nebengebäudes von den Flammen zerstört. Der Theil des Brauhauses, in weichem für mehrere Tausend Thaler Malz und Getreide aufgeschüttet lagen, wurde glücklicherweise noch erhalten und so der Besitzer vor größerem Schaden bewahrt, da die Vorräte nicht versichert waren. Die Brandursache konnte nicht ermittelt werden."

Es ist nicht nachvollziehbar, ob die 1868 von Wallasch angebotene Brauerei auf dem Markt 96 vom Braumeister Karl August Rahnsdorf gekauft wurde oder ob es sich um ein anderes Grundstück handelt. Ein im Stadtarchiv vorhandenes Foto, etwa um die Jahrhundertwende aufgenommen, zeigt ein Haus mit der Schrift "Brauerei & Restauration Emil Kahnsdorf". Im Adressbuch von 1901 ist dieses Grundstück mit Hauptstraße 18 eingetragen. Dieses und weitere Gebäude wurden im April 1945 durch Brandstiftung zerstört. Der genannte Karl August Kahnsdorf war der Vater des späteren Brauereibesitzers Emil Kahnsdorf, der etwa ab 1907 als Privatier in der Langen Straße 2 wohnte. Über die Brauerei Kahnsdorf ist nur noch bekannt, dass diese das Wasser für die Bierproduklion aus einen eigens dafür angelegten Brunnen entnahmen (siehe Heimatkalender 2000/2001 Seite 249). Der Brauereibesitzer Adolph Wallasch starb 1902 im Alter von 56 Jahren und so setzte sein Sohn Oswald die Brautätigkeit fort.

Aus meinen persönlichen Erinnerungen weiß ich, dass die Brauerei Oswald Wallasch alkoholfreies Braunbier braute und Limonade und Selters hergestellt hat. Eine Zeitlang war die Firma auch Bierverleger und verkaufte bezogenes Bier aus anderen Brauereien an die Gaststätten weiter. Mit dem eigenen Pferdefuhrwerk wurden die Getränke zu den Abnehmern gefahren, wobei auch der ehemalige Landwirt Hermann Köhler (siehe auch Heimatkalender 1998, Seite 68), in die Dörfer fuhr und von seinem Wagen aus Bier verkaufte. Eine Glocke rief die Dorfbewohner zum Kauf auf und in den mitgebrachten Gefäßen wurde das Bier aus dem Fass gezapft. An den Verkaufstagen dürfte es in den Dörfern Biersuppe gegeben haben und bei der Feldarbeit wird der Durst gelöscht worden sein. Für die Bürger der Stadt wurde das Bier über die Straße (lose) oder als Flaschenbier verkauft.

Älteren Bürgern wird noch bekannt sein, wie vor dem 2. Weltkrieg im Winter das Eis des Grödel-Elsterwerdaer-Floßkanals geschlagen und mit Pferdefuhrwerken durch die Stadt gefahren wurde, um in den Eiskellern der Brauereien, Bierniederlagen und bei den Fleischern eingelagert zu werden (siehe hierzu "Elsterwerda in alten Ansichten" Bild Nr. 18).

Am 21. Januar 1954 starb Oswald Wallasch, und die seit Einstellung der eigenen Bierherstellung im Jahre 1951 nicht mehr benötigten Produktionsräume wurden noch einige Jahre vermietet und anderweitig genutzt. Der Abriss der Brauerei-Gebäude mit dem typischen Brauereiturm und dem großen Eiskeller erfolgte etwa 1980 im Rahmen einer Großübung der Zivilverteidigung. Auf dem planierten Gelände der alten Brauerei wurden 1987, zwischen der Post- und Bürgermeister-Wilde-Straße, die neuen Wohnblöcke, Poststraße 3-6, gebaut. Die Bierbrauereien Wallasch und Kahnsdorf sind ein Stück Vergangenheit von Elsterwerda.

Quellen: Aus den Unterlagen des Stadtarchivs, persönlicher Erinnerungen einiger Bürger von Elsterwerda und des Autors Werner Galle im November 2001.