Der Biergroßhandel in der ehemals "kneipenreichsten Stadt Deutschlands"
Neben den in Elsterwerda vor der Jahrhundertwende entstandenen zwei Bierbrauereien gab es zahlreiche Biergroßhandelsfirmen. So ist im "Liebenwerdaer Kreisblatt" vom 22.10.1896 zu lesen: "Ein tüchtiger zuverlässiger Bierfahrer und ein Bursche zum Flaschenspülen finden bei hohem Lohn dauernde Stellung bei Otto Schuppe, Biergroßhandel, Elsterwerdaer, Berliner Straße 195". Aus dem Liebenwerdaer Kreisblatt vom 24.11.1898: "Suche einen ordentlichen jungen Mann als Bierfahrer bei gutem Lohn und dauernder Stellung. Ernst Winter, Biergroßhandlung, Elsterwerda".
Eine Bierflasche mit der Aufschrift der Firma Schuppe wurde erst kürzlich dem Stadtarchiv übergeben. In den Adress- und Auskunftsbüchern von 1901, 1906, 1913, 1926/27 werden diese unterschiedlich auch als Bierniederlagen oder als Bierverleger genannt. Diese ließen sich von Brauereien in Dresden, Leipzig, Meißen, Radeberg und anderen Orten in denen Bier gebraut wurde Fass- und Flaschenbier anliefern.
Einige dieser Biergroßhändler besaßen Abfülleinrichtungen, wo aus den Fässern das Bier in Flaschen abgezogen wurde. Diese dazu notwendigen Maschinen waren zur damaligen Zeit sehr einfach konstruiert Auf einer karussellartigen Aufhängung wurden die gewaschenen Flaschen mit Hand auf die sich im Kreis drehenden Düsen mit dem Flaschenhals aufgesteckt, und das Bier strömte in die Flasche. Nach vorn angekommen, wurde die gefüllte Flasche mit ihrem Bügelverschluss von der Maschine abgenommen und mit der Hand verschlossen. Die mit Leim bereits versehenen Etiketten wurden dann aufgeklebt und in die mit Fächern versehenen hölzernen Bierkästen gestellt. So hat auf diese Weise auch die Bierniederlage Albin Brockwitz in der Bahnhofstraße 23 seit November 1911 bis etwa 1930 Bier in Flaschen für den Weiterverkauf abgefüllt. Danach wurde bis 1952 zusätzlich zum Fassbier auch das Flaschenbier aus Dresden bezogen. Die nachstehend aufgeführten Biergroßhändler lieferten entsprechend der bestellten Menge das Fass- und Flaschenbier an Gaststätten und Geschäfte. In den ersten Jahren geschah dies je nach Menge und Entfernung zum Kunden, durch Pferdefuhrwerke oder Handwagen
Nach dem 1. Weltkrieg konnten sich je nach Einkommen schon einige Biergroßhändler ein kleines oder schon größeres Lieferauto kaufen und nutzen. Der Kundenkreis wird groß gewesen sein, denn in den dreißiger Jahren war in einer großen Zeitung zu lesen: "dass Elsterwerda die kneipenreichste Stadt des Deutschen Reiches ist". (Aus "Elsterwerda in alten Ansichten" 1992, Seite 59). Auch haben die vielen Zusammenkünfte, es gab laut Einwohnerbuch für den Kreis Liebenwerda 1926/27 in Elsterwerda 80 Vereine, Verbände und Clubs, die sicher dazu beigetragen haben, dass viel Bier getrunken wurde. Gründe zum Feiern waren immer vorhanden, denn Radio und Fernsehen gab es noch nicht und so blieb Zeit für Freude und Geselligkeit. So waren die Feste der Schützen, Militär-, Jugend- und Theatervereine, die Feiern zu Jubiläen, Einweihungen, Abschlussprüfungen, Stiftungsfeste, Fahnenweihen, Stammtische der Bürger, Geschäftsleute, Handwerksmeister und andere Gelegenheiten immer wieder Anlass, den Umsatz der Biergroßhändler zu steigern. Die Auskunfts- und Adressbücher von 1901 - 1927 nennen uns die in Elsterwerda beheimateten Betriebe. Ab 1927 sind keine Adressbücher mehr erschienen und so gibt es über später vorhandene Biergroßhändler und andere Gewerbetreibende keine Auskünfte mehr. Lediglich bekannt ist, dass es nach Angaben und persönlichen Erinnerungen, die Firma Willi Manig in der Mückenberger Straße (heute Bauhof der Stadtverwaltung) gab. Neben dem Biergroßhandel besaß die Firma noch einen Reisebus, der für Gesellschaftsfahrten bestellt werden konnte. Im 1904 erbauten Gebäude an der Promenade war etwa ab 1928 eine weitere Biemiederlage. wo "Dresdner Felsenkeller" von Selma Böttcher bis 1952 vertrieben wurde. Danach übernahm die Konsum-Fleischerei bis zum Abriss 1991 das Gebäude und der Parkplatz am Krankenhaus entstand. In Biehla gab es noch den Biergroßhandel von Hans Dietrich in der Haidaer Straße. So lieferten die Brauereien Sternburg aus Lützschena bei Leipzig Bier an die Firma Hans Dietrich, Waldschlösschen aus Dresden an die Firma Brockwitz, Reisewitz an die Firma Schurig und die Radeberger Brauerei an die Firma Wallasch. Selbstverständlich waren auch weitere Biersorten im Angebot.
Auch im 2. Weltkrieg wurde Bier hergestellt und verkauft, jedoch nur mit einer Stammwürze von etwa 4,5 %, womit nicht die Höhe des Alkoholwertes gemeint ist. In der Zeit nach 1945 gab es meist nur normales Bier, später auch Pilsner-, Malz und Bockbier. Wenn man gutes Bier haben wollte, wandte man sich an LKW- oder Busfahrer, die gegen geringen Aufpreis dieses von ihren Fahrten aus den Großstädten mitbrachten. Durch diesen inoffiziellen kleinen Handel kam mancher zu gutem Bier, um seinen Westbesuch oder die Gäste für seine Festlichkeiten besser bewirten zu können. So nutzte zu Zeiten der DDR so jeder seine Beziehungen, denn wie hieß es so schön, "Durst ist schlimmer als Heimweh". Vergessen wir nicht, dass es in Kraupa "Wernesgrüner" Bier gab. Der Tausch "Erdbeeren gegen Bier" brachte es fertig, dass dieses gute Bier zu uns kam. Eine weitere Möglichkeit gutes Bier zu erhalten, gab es auf dem Bahnsteig des Bahnhofs. Die planmäßig haltenden internationalen D-Züge boten Gelegenheit, am Fenster des Speisewagens auf die "Schnelle" das begehrte Nass zu erhalten.
Beim Besuch der Konsum-Gaststätte "Winterberg" konnte der Bierdurst durch "Budweiser" aus der damaligen CSSR gestillt werden. Weniger ist bekannt, dass es Zeiten gab, wo auch das Bier zugeteilt wurde. In Elsterwerda gab es in der Zeit nach 1945 - 1972 als Biergroßhändler die Firma Hans Glas KG in der Lauchhammer Straße 49, vor dem Krieg als Firma Willi Manig bekannt, der den privaten Handel und die privaten Gaststätten mit Fass- und Flaschenbier, überwiegend "Dresdner Felsenkeller", belieferte. Auch die Firma Hans Dietrich in Biehla (später Hildebrand- Dietrich KG) lieferte "Sternburg- Bier" aus. Die HO- und Konsum- Verkaufsstellen wurden vom Großhändler Hildebrand aus Bad Liebenwerda beliefert. Alles war zu dieser Zeit staatlich geregelt. Aus den halbstaatlichen Betrieben Hans Glas KG und Hildebrand-Dietrich KG wurden 1972 durch die Verstaatlichung volkseigene Betriebe. So entstand der Betrieb VEB Getränke Bad Liebenwerda und damit gehörten die letzten beiden Elsterwerdaer Biergroßhändler der Vergangenheit an. Nach der Wende deckten den Bedarf an Bier die neu entstandenen Supermärkte und Getränkestützpunkte.
Damit fand das individuelle Beschaffen von Bier ein Ende. Die Firma Volman-Getränke OHG in Krauschütz ist der einzige in Elsterwerda bestehende Biergroßhandel. Es ist nicht leicht aus der Erinnerung heraus etwas aufzuschreiben, zumal über mehrere Jahre keinerlei Aufzeichnungen vorhanden sind, die chronologisch das Geschriebene vervollständigen könnten. Das Stadtarchiv appelliert hiermit wieder erneut an die Betriebe, Daten und Ereignisse als Chronik aufzuzeichnen, um einmal in späteren Jahren selbst vom Vergangenen berichten zu können. Das Stadtarchiv wäre dankbar, davon Ablichtungen zu erhalten. Sollte es später doch noch jemand geben der die Historie aufschreibt, so ist ihm geholfen und für die Fortsetzung der Stadtgeschichte ist es ein wertvoller Beitrag.
Quellen: Aus den Adress- und Auskunftsbüchern 1901, 1906, 1913, 1926 und 1926/27 Persönliche Erinnerungen der Bürger und des Autors Werner Galle im November 2001.