Mit einem Brauer im Gespräch

Als Fritz Z. in den 20er Jahren die Volksschule verließ mit dem Wunsche, Brauer zu werden, da wusste er noch nichts von Vorder-und Ausschlagwürze, von Spindelproben und obergärigem oder untergärigem Bier. Ja, er war - begreiflicherweise! - nicht einmal ein passionierter Biertrinker.

Drei Jahre dauerte schließlich die Lehre in der Pirnaer Brauerei, die zum Dresdner Felsenkeller-Konzern gehörte. Und als Fritz Z. endlich sein Abschlusszeugnis in Empfang nehmen konnte, da schloß das kleine Unternehmen, und es wurde nur noch als Niederlage für den Dresdner Stammbetrieb genutzt. So ging der junge Pirnaer nach Dresden, ins sogenannte "Eiswurmlager", und auch hier währte die Freude am erwählten Beruf nur kurz. Der junge Brauer wurde zum faschistischen Arbeitsdienst geholt - für ein halbes Jahr nur, doch das reichte schon, um ihn den Arbeitsplatz verlieren zu lassen.

Aus dem Brauer wurde ein Mälzer. Zur Hochsaison kam Fritz Z. in der Großsedlitzer Malzfabrik während der Wintermonate unter. Aber er wollte Brauer bleiben, und so griff er zu, als sich in der Bautzner Actienbrauerei Arbeit in seinem Berufe bot. "Mit uns jungen, ledigen Burschen ist man seinerzeit nicht sehr sanft umgegangen, und es war üblich, dass wir im Winter in der Mälzerei arbeiten mussten - ob wir wollten oder nicht", erinnert sich der Brauer. Schließlich bewarb er sich dort, wo er auch heute noch nach weit über 35 Jahren tätig ist: in Radeberg. "Man war sehr wählerisch in der Direktion und schaute sehr genau auf die Zeugnisse, bevor eine Einstellung entschieden wurde." Das Schreiben, das schließlich nach vierwöchiger Probezeit sein festes Arbeitsverhältnis besiegelte, hat er heute noch zu Hause verwahrt. Es ist datiert mit dem 4. April 1939. Die Freude sollte nicht lange währen. Wenige Wochen nach seinem Radeberger Start begann der zweite Weltkrieg, und ein Jahr später flatterte Fritz Z. die Einberufung ins Haus. Aus dem Brauer wurde ein Soldat. Für Fritz Z. brachte das Jahr 1946 eine entscheidende Wendung wie für so viele seines Jahrgangs. Eigentlich erst von jetzt an konnte er für seinen Beruf leben, die Erkenntnisse und Erfahrungen der früheren Jahre anwenden und sie auch vertiefen. Schwer und mühsam waren die ersten Nachkriegsjahre. Trotzdem denkt Fritz Z. noch gern an die Aufbauzeit zurück. Zehn Jahre später setzt er sich noch einmal auf die Schulbank, um die Meisterprüfung abzulegen, und 1959 wurde der Brauer Fritz Z. Brauführer in der volkseigenen Radeberger Brauerei. Auch heute ist er nicht das, was man einen leidenschaftlichen Biertrinker nennt, und er hat auch durchaus nicht die gewichtige Statur, die man landläufig bei einem Brauer vermutet. (übrigens ein Pauschalurteil, dem er mit Nachdruck widerspricht: Es gibt spindeldürre Brauer, die einen beträchtlichen Bierkonsum haben!) Was immer geblieben ist all die Jahre hindurch, das ist die Liebe zu seinem Beruf, die Freude an der Arbeit und der Schatz der Erfahrungen, den er in den letzten Jahrzehnten anhäufen konnte. Anerkannt wurde seine vorbildliche Arbeit im Kollektiv der Radeberger Bierbrauerei durch die Auszeichnung als "Aktivist der sozialistischen Arbeit".

Zwischen Sud- und Kühlhaus hat Braumeister Fritz Z. sein Wirkungsfeld gefunden, und dort ist er meist anzutreffen, wenn man ihn im Betrieb sucht. Mindestens aller vier Stunden wird von ihm der Sud abgestochen, und das mittels einer geeichten Meßlatte, an der die genaue Hektoliterzahl eines jeden Sudes abzulesen ist. "Und dann kommt das Spindeln", setzt er fort. Der Biersieder entnimmt jedem Sud einige Spindelproben, die mit Hilfe eines Sacharometers gespindelt werden, anders gesagt: der Extraktgehalt der gekochten Würze wird festgestellt. Und dann wechselt die Szene: Man sieht den Brauführer wie auf einem verlockenden Prospektfoto mit dem schäumenden Schauglas in der Hand vor dem Biertank stehen. Er prüft den Schaum und mit einem vorsichtigen Schluck (schließlich hat das Bier eine Temperatur von etwa 2°C) auch den Geschmack des Gerstensaftes, bevor er durch das Filtrieren letzte Klarheit erhält, so wie sie der Biertrinker liebt und gewöhnt ist. Der Brauer schätzt das unfiltrierte Bier nicht geringer, denn es schmeckt - so Fritz Z., der es ja wissen muss - würziger und kräftiger. "Vor etlichen Jahren bemerkte ich beim Kosten in mehreren Tanks einen lästigen Karbolgeschmack. Wir sind der Sache nachgegangen und haben schließlich festgestellt, dass es am Hopfen lag", erzählte der Brauführer und betonte damit die Bedeutung solcher Kostproben. Aber auch das fix und fertig filtrierte Bier wird verkostet, dann allerdings nicht mehr aus dem Tank, sondern aus der Flasche, aus der es ins Glas schäumt, eine durchaus ernsthafte Angelegenheit, für die es einen Verkosterausschuss in Radeberg wie in anderen Brauereien gibt, der sich ganz zünftig vor jeder Probe den Gaumen mit Knäckebrot und Schnittkäse neutralisiert. Das Urteil ist kritisch und streng, die Punktbewertung nicht Selbstzweck, sondern wichtig für den Wettbewerb der Brigaden. Es gibt auch einen vom Labor eingeführten Austausch mit Brauereien in der CSSR, in der VR Polen oder auch in Dänemark, Schweden und in der BRD. Diese "Importe" werden genauso verkostet wie das einheimische Bier. Der Austausch schult den guten Geschmack und lässt die Verkoster die Maßstäbe nicht verlieren.

Jede Brauerei hat entsprechend ihren technischen und technologischen Bedingungen ein spezifisches Brauverfahren, das schließlich auch den Charakter des Bieres mitbestimmt. Hier kommt zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen und den Laboranalysen sowie den Eigenschaften der Roh- und Hilfsstoffe die unschätzbare Erfahrung des bewährten Fachmannes, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Das beginnt im Sudhaus, wo der Biersieder und seine zwei Helfer, die sogenannten "Pumpaufs", auf eine genaue Einhaltung der Temperaturen und Verweilzeiten bedacht sein, müssen. In modernen Sudhäusern mit hohem Automatisierungsgrad sind die "Pumpaufs" als Helfer des Biersieders überflüssig geworden. Farbschreiber, die unbestechlich die Hitzegrade aufzeichnen, helfen dabei. Bei 52°C wird beispielsweise in Radeberg eingemaischt. Auch bei der Gärführung ist die Temperaturregelung sehr wichtig. Bei der Gärung entsteht Wärme. Die Temperaturen läßt man bei klassischer Gärung, höchstens auf 8,5 Grad steigen, um sie dann allmählich herunterzudrücken, eine Abkühlung die eine tägliche Extraktabnahme von ein bis anderthalb Prozent erreicht. Bei der Nachgärung im Lagerkeller ist der Druck wichtig, der in den Tanks gehalten wird. Er bestimmt schließlich die Schaumhaltigkeit des Bieres entscheidend mit, ebenso wie die Lagertemperatur von 0 bis 1°C. Und damit wären wir wieder beim Schauglas angelangt, an dem der Brauführer nur vorsichtig nippt.
"Wenn ich heute noch einmal vor der Berufswahl stünde, ich würde wieder Brauer werden", meint Fritz Z. ohne Besinnen. Schaut er auf die letzten Jahre und Jahrzehnte zurück, dann weiß er auch warum: Sein Beruf ist geschätzt und geachtet. Das Bier, das aus Radeberg in alle Welt fließt, hat überall gute Freunde unter den Biertrinkern. Er weiß, dass seine Erfahrungen gebraucht werden, und er gibt sie gern weiter an eine junge Generation, so, wie er sie vor vielen Jahren empfangen hat, und er wünscht, dass auch denen, die nach ihm kommen, das Bierbrauen so zur Passion wird.